Kontaktaufnahme

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Vor einer Woche schließlich betrat ein älterer Herr den Laden.

"Guten Morgen Herr Thiele, darf ich mich vorstellen, mein Name ist Benjamin Ott. Ich vertrete einige wichtige Klienten in Sachen antiquarische Schriften. Meine Klienten sind ständig auf der Suche nach dem, sagen wir, "Gewissen Etwas". Hätten Sie einen Augenblick Zeit für mich?"

Ich bat den Kunden herein, schloß die Tür und hängte das "Geschlossen" Schild vor.

"Bitte, kommen Sie doch hier entlang;" forderte ich ihn auf. Ich führte ihn in meine Studierecke im Laden, vorbei an einigen Regalen mit, sagen wir, beeindruckendem Inhalt. Er schien die Bücher nur flüchtig zu betrachten, andere Bibliophile mussten häufig daran vorbei geprügelt werden. Seltsam. Aber er war ja auch scheinbar nur als Unterhändler unterwegs.

"Lassen Sie mich gleich zur Sache kommen" begann er, nachdem er mein Angebot an Getränken dankend abgelehnt und wir auf den Sesseln Platz genommen hatten, "Wir, also, die Organisation, die ich hier vertrete, sind auf der Suche nach bestimmten Schriften."

Alarmglocken klingelten in meinem Hinterkopf. Sollte er auch hinter den Büchern her sein? Würde auch er vor Gewalt nicht zurückschrecken?

"Wir wissen, dass Sie zur Zeit unter Druck sind, wegen einigen Werken. Aber unser Hauptinteresse liegt nicht diesen, auch wenn uns die Ergebnisse natürlich interessieren. Wir sind auf der Suche nach alten Artefakten, Relikten vergangener Zeiten, mächtigen, gefährlichen Werken. Das beschränkt sich nicht nur auf Bücher, auch wenn es für Sie der wichtigste Teil unserer Arbeit sein wird. Wie mir meine Kollegen schon gesagt hatten, und ich jetzt auch mit eigenen Augen gesehen habe, besitzen Sie ja eine recht umfangreiche Sammlung an Schriften. Ich habe eigentlich nur eine Bitte an Sie: lassen Sie mich einmal Ihre Bibliothk näher betrachten."

Nun, das klang ersteinmal nicht so sehr kritisch. Etwas seltsam, zugegeben, aber nicht per se verdächtig. Nur der Teil mit den "hui, buu, gefährliche Artefakte" war seltsam. Aber vielleicht könnte ich ja mehr darüber erfahren, wenn ich noch ein wenig mit Herrn Ott plaudern würde. Ich ging mit ihm also in das Hinterzimmer, in dem ich einige der teureren Bücher in Schränken hinter Glas oder sogar in Schubfächern aufbewahre.

"Meine Kollegen glauben, dass ich bei Ihnen auch bei alten Handschriften fündig werden könnte. Genauer gesagt suchen wir altgriechische Texte, auf Papyrusrollen."

"Papyrus? Das geht vermutlich ein wenig über meinen normalen Bestand hinaus. Ich vermute, dass ich zumindest Papyrusfragmente besitze, die ich bisher aber nicht zeitlich einordnen konnte. Sie scheinen sich mit griechischen Dramen zu beschäftigen und sind in einem recht mitgenommenen Zustand."

Herr Ott schien leicht angespannt, "könnte ich die Papyri sehen?"

Den Wunsch konnte ich ihm erfüllen. Wir stiegen die lange Treppe in den Keller hinab.

"Bücher im Keller? Herr Thiele, das macht mir ein wenig sorgen, bei so einem alten Haus!"

Aber ich konnte ihn beruhigen, "Mein Großvater und mein Vater haben diesen Keller in Hinblick auf die Lagerung von Büchern konzipiert. Sie werdne feststellen, dass die Luft hier unten relativ trocken ist. Sehen Sie die Schränke? Das ist noch Qulitätsarbeit von vor dem Krieg, hier unten lagert das alte Magazin meiner Familie, wir haben die Klimaregelung der einzelnen Schränke in den letzten 40 Jahren immer wieder auf den neuesten Stand gebracht."

Ich suchte meinen Schlüssel... ach ja, dieser hier.

"Ich bin nicht so häufig hier unten, vieles hebe ich nur zum Andenken an meinen Großvater und meinen Vater auf, teilweise gehören die Stücke eigentlich in Museen, aber ich habe es noch nicht übers Herz bringen können."

Ich öffnete das Fach mit dem Katalog. Papyrushandschriften... da war mal was... "Hier steht etwas: Papyrushandschrift, altgr., etw. mitgen. Brandsp. unbest. Alter, Inhalt: Liste, Griech. Autoren, S04,F2. Wenn Sie mir bitte folgen würden."

Ich nahm den Schlüselbund des alten Magazins aus dem Fach, legte den Katalog zurück, und streifte mir Handschuhe über.

"Ah, hier ist es. Das Schriftstück ist, wie Sie sehen, nur ein Fragment einer Rolle. Wie groß diese ursprünglich war, weiß ich nicht. Hier oben der Teil gehört wohl zum vorhergehenden Abschnitt, aber hier beginnt etwas neues `Menanders Werk´ oder so ähnlich würde ich das übersetzen."

Herr Ott war aufgeregt, das merkte man ihm an, "Wissen Sie, wie alt das Schriftstück ist?"

Ich musste passen, "über zweitausendeinhundert Jahre! Es ist ein Fragment einer Sammlung von 140 Papyri von einem `Kalimachos´, der einen Katalog der, sagen wir, klassischen Literatur für die Große Bibliothek verfasst hat."

Die Große Bibliothek, Alexandria? Ach Du meine Güte! "Dann gehört das Fragment wohl eher in ein Museum."

"Nein, meine Kollegen und ich bereiten seit vielen Jahren die Zusammenführung der Schrift vor, solch ein Fragment würde nur irgendwo im Museumskeller verstauben. Wären Sie an einem Handel interessiert?"

Hm. Ich war ja eigentlich schon Buchhändler, aber mich hiervon trennen... jedem Bibliophilen würde da natürlich das Herz bluten

"Es geht mir nicht um Geld, ich kann ihnen aber vielleicht ein Tauschgeschäft vorschlagen."

Na gut, das konnte was werden. Mal schauen, was der Fremde zu bieten hätte.

"Ich habe oben in meiner Aktentasche ein Werk, das Sie in ihrer aktuellen Situation interessieren könnte."

Was wussten "die", wer auch immer "die" waren? Was für ein Buch könnte das sein? Wir gingen also wieder in meine Studienecke. Herr Ott nahm seinen Aktenkoffer, legte ihn auf den Tisch und öffnete ihn. Dann schlug er einige Leinentücher zur Seite. Darunter befand sich ein Buch, nicht sehr groß, vielleicht kleine Oktav-Abmessungen, in dunkles Leder gebunden mit leicht angelaufenen Metallschnallen.

"Hierbei handelt es sich um die 'Abiurationes et Invocationes' von einem gewissen Pater Iacobus aus dem heutigen Oberitalien." Er zog Handschuhe an und öffnete das Buch. Pergamentseiten, dicht mit karolingischen Minuskeln beschrieben, kamen zum Vorschein. "Sehen Sie hier die Miniaturen an, der Zustand des Buches ist, für das hohe Alter, recht gut, die Farben frisch."

Ich nickte zustimmend, "ein hochmittelaterliches Werk, würde ich schätzen, vielleicht 11. Jahrhundert? Aber der Einband ist nicht original."

"Ja, das haben Sie gut erkannt. Pater Iacobus lebte Anfang des 11. Jahrhunderts in Bergamo, er beschäftigte sich im Auftrag der Kirche mit den im südlichen Alpenraum verbreiteten Aberglauben, Mythen und, sagen wir, Bräuchen. Der Einband ist neuer, da haben Sie Recht."

Hm. Also dieses obskure Werk würde ich im Tausch gegen ein Stück echte Kulturgeschichte erhalten. Da müsste diese Organisation noch etwas anderes bei springen lassen.

"Herr Thiele, uns ist klar, dass Sie sich nicht dauerhaft von dem Papyrus trennen wollen, vor allem jetzt, da Sie seine Geschichte kennen. Meine Partner und ich schlagen Ihnen also folgendes vor:

  • Der Papyrus ist nur eine Leihgabe, er bleib Besitz von Ihnen, den Sie jederzeit zurückfordern können
  • Die neuesten Studienergebnisse meiner Partner, was die große Bibliothek angeht, werden auch an Sie überstellt werden, Sie werden als Teilnehmer des Studienprojektes genannt, so Sie es wünschen
  • Das Buch hier ist unsere Leihgebühr an Sie, wir bitten Sie jedoch, es nur in Rücksprache mit uns zu veräußern und uns ein Vorkaufsrecht einzuräumen.

Das klang schon sehr vernünftig. "Ich wüßte nur gerne, wie ich Sie erreichen könnte und wo der Papyrus hingebracht werden wird."

Herr Ott gab mir seine Karte. "Ich habe von unseren Notaren einen Vertrag aufsetzen lassen, der diese Punkte regelt. Ich lasse ihnen den Vertrag und das Buch hier, ich würde Sie bitten, mich in der nächsten Woche anzurufen und mir Ihre Entscheidung mitzuteilen."

Der Vertrag war von einem stadtbekannten Notar aufgesetzt worden, ich würde ihn wahrscheinlich meinem Onkel vorlegen, der in Lübeck früher eine Kanzelei geleitet hatte. Kurze Zeit später verabschiedete sich Herr Ott, mit dem Wunsch, dass ich das Buch vielleicht nicht zu offen liegen lassen sollte. Was er damit meinte, sollte ich erst viel später lernen.